Radio Temeswar

150 Jahre Banater Semmering

Die österreichische Semmeringbahn ist die erste vollspurige Bergbahn Europas. Sie verbindet die Ortschaften Gloggnitz und Mürzzuschlag auf der Strecke Wien – Graz über das Semmering-Gebirge. Die Bergbahn wurde 1854 feierlich eröffnet und dient seither dem allgemeinen Personenverkehr. Wenige Europäer wissen aber, dass die österreichische Semmeringbahn eine etwas kleinere und etwas jüngere Schwestertrasse hat: die Bergbahnstrecke Orawitza – Steierdorf/Anina im Banater Bergland. Die Österreicher erbauten nur 9 Jahre später im Osten der damaligen Monarchie, im jetzigen West-Rumänien, eine zweite vollspurige Bergbahn, um die Kohle von den Gruben aus dem Karpatenbogen an die Donau zu befördern. Die Strecke ist als „die Banater Semmeringbahn“ bekannt und sie feierte Ende September den 150. Jahrestag ihrer Inbetriebnahme. Adrian Ardelean war dabei und erstellte folgenden Beitrag.



Orawitza, Banat, Rumänien. Die Festveranstaltungen aus Anlass des Jubiläums der Banater Bergbahn begannen am Bahnhofsplatz. Das ist der älteste Bahnhof auf dem aktuellen Territorium Rumäniens, der bereits 1856 eingeweiht worden war. Auf dem ersten Gleiß kann man hier die alte Dampflokomotive bewundern, die vor 150 Jahren die Personen- und Güterwaggons hin und her gefahren hat. Empfangen wurden die Besucher zum Jubiläumsfest von Jugendlichen in rumänischer Volkstracht sowie von einer authentischen Banater Blaskapelle. Mit dabei waren Vertreter der Kommunalverwaltung, der Politik und mehrerer Bürgervereinigungen. Gastgeber und Moderator war Ingineur Radu Bellu von der regionalen Bahnverwaltungsgesellschaft Zentral-Rumäniens in Kronstadt/Brasov.

Innerhalb des Festaktes wurde auch eine Gedenktafel enthüllt. Darauf steht: „150 Jahre seit der Eröffnung der Bahnstrecke Orawitza-Anina, die erste und älteste Bergbahn Rumäniens 1863-2013“. Verwaltet wird die Strecke von der regionalen Bahngesellschaft West-Rumäniens in Temeswar/Timisoara. Geschäftsführer ist Mircea Benec.

Der historischen Bergbahnstrecke Orawitza-Anina droht nun aber, nach 150 Jahren in Betrieb, der Ruhestand. Die Trasse ist für die rumänische Bahngesellschaft CFR unrentabel geworden. Die Kohlengruben haben nach der Wende 1989 ihre Tätigkeit eingestellt und auf der Strecke fahren durchschnittlich nur noch 4 bis 5 Passagiere am Tag. Vertreter der Zivilgesellschaft nutzten das Jubiläumsfest aus, um auf die Notwendigkeit der Beibehaltung dieser Strecke für die Region aufmerksam zu machen. Auf großen Plakaten konnte man überall lesen: „Wir wollen eine Zukunft für den Banater Semmering“. Marian Apostol ist Gewerkschaftsleiter in Reschitza und Mitgründer des Vereins „Pro Banater Bergland“.

Auf der Seite der Zivilgesellschaft stellen sich auch die Vertreter der Kommunalverwaltung: die Bürgermeisterämter der beiden betroffenen Ortschaften Orawitza und Steierdorf/Anina sowie der Kreisrat Karasch-Severin, dessen Vizevorsitzender Ilie Iova ist.

Höhepunkt der Veranstaltungsreihe war eine Jubiläumsfahrt mit der Bahn von Orawitza nach Anina. Die Strecke ist knappe 34 Kilometer lang, weist einen Höhenunterschied von 340 Metern auf und führt über 10 Viadukte sowie durch 14 Tunnels, die zusammen eine Gesamtstrecke von fast 3 Kilometern messen. Zum Vergleich ist die österreichische Schwesterstrecke rund 41 Kilomterer lang, hat einen Höhenunterschied von erwa 450 Metern und verfügt über 16 Viadukte sowie 15 Tunnels. Ähnlich wie die österreichische Strecke führt auch die Banater Berglandstrecke über zahlreiche enge Kurven, was eine bestimmte Konstruktion für Lokkomotiven und Waggons voraussetzt. Die Fahrt mit der Banater Semmeringbahn führt durch eine malerische Landschaft und sie dauert zwei Stunden und fünf Minuten, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 16 Kilometern pro Stunde entspricht. Ein Bahnticket von Orawitza nach Anina kostet 10 Lei, das sind umgerechnet rund 2Euro25. Wenn man an gewöhnlichen Tagen die Fahrgäste an den Fingern einer einzigen Hand zählen kann, waren es mehrere Hunderte, die an der Jubiläumsfahrt dabei sein wollten. Darunter war auch der Vizepräsident der regionalen Organisation der deutschen Volksgemeinschaft im Banater Bergland, Cristian Chioncel. Als Nachfolger der österreichischen Kolonisten, die die Strecke vor 150 Jahren erbaut haben, erklärt er, warum die Einheimischen diese Bahnstrecke auch heute noch „Banater Semmering“ nennen.

Die Bahn wurde am Bahnhof in Anina von vielen Schaulustigen empfangen. Die Steierdorfer Kapelle spielte österreichische Blasmusik. Jugendliche in Volkstracht boten den Gästen Brot und Salz. Zeitgleich mit dem Zug kamen am Bahnhof auch hunterte Motorrad- und Radfahrer an. Darunter auch Sergiu Morariu, der Präsident des Tourimusvereins Endu-RO-Mania, der mehrmals im Jahr Biker aus ganz Europa mit der wunderbaren Berglandschaft Rumäniens und der hier eingerichteten off-road-Trasseen begeistert. Er selbst stammt aus der Region und hat sogar die 2. Schulklasse in Steierdorf besucht.

Auch am Bahnhofsgebäude in Anina wurde eine Gedenktafen zum 150. Jahresfest der Bergbahn enthüllt. In den Ansprachen wurde erneut die Bedeutung der Bahnstrecke für die gesamte Region hervorgehoben. Nach der Schließung der Kohlengruben arbeitet mehr als die Hälfte der aktiven Bevölkerung aus Anina im öffentlichen Dienst. Der Rest ist arbeitslos. Eine wirtschaftliche Wiederbelebung ist für die Einheimischen lebenswichtig und hier spielt die Bergbahn eine strategische Rolle. Das weißt auch der Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar, Rolf Maruhn, der die Entwicklung der Banater Semmeringbahn seit mehreren Jahren verfolgt.

Aus Anlass des 150. Jubiläums des Banater Semmerings wurde auch eine Hymne der Bahnstrecke Orawitza-Anina komponiert. Das Lied erzählt die Geschichte der Bahn, beschreibt die Landschaft und zählt einige Argumente auf, warum die Strecke beibehalten werden soll. Die Bahn gilt als Zukunfssignal aus dem Banat mit Zielbahnhof Europa.


Der Bahnhof in Orawitza


Die Banater Semmeringbahn


Der Bahnhof in Anina
Fotos: der Verfasser

20130921_Banater_Semmering_1  


20130921_Banater_Semmering_2  


 Adrian Ardelean, Orawitza und Anina, 21.09.2013
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