Der ehemalige deutsche Konsul aus Temeswar Klaus Christian Olasz reagiert auf die Stellungnahme des Intentanden Lucian Manuel Varsandan.
"Die Stellungnahme des Intendanten des Deutschen Staatstheaters Temeswar (DSTT) auf das Interview, das ich Raluca Nelepcu am 2. Juli 2013 für die Banater Zeitung/Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien und das deutschsprachige Programm von Radio Temeswar gegeben habe, fordert mich zu einigen Anmerkungen bzw. Richtigstellungen heraus."
Ich sehe keinerlei Widerspruch zwischen den von mir in der Tat immer wieder aus voller Überzeugung ausgesprochenen Worten des Lobes und höchster Wertschätzung für die Arbeit des Ensembles des DSTT und dem in meinem Abschiedsinterview geäusserten Bedauern angesichts leicht nachprüfbarer, kaum widerlegbarer Fakten. „Polemik“ kann ich auch nicht darin erkennen, dass ich das DSTT wie stets ein „einzigartiges Haus“ nenne und ehrlich bekenne, dass mir das „Herz blutet“, weil das Theater seine Chance nicht offensiv nutzt, eine kulturelle Brücke nach Deutschland und in den deutschsprachigen Raum zu sein und weil es die berechtigten Erwartungen der in Rumänien verbliebenen deutschen Minderheitsbevölkerung immer weniger bedient. Auf diese meine sachliche Kritik geht der Intendant bedauerlicherweise gar nicht ein, wenn er mir mit verbal schärfstem Geschütz geradewegs das Recht abspricht, mich als einer der in den letzten vier Jahren treuesten Besucher, Wegbegleiter und Unterstützer des von ihm derzeit verantworteten Hauses über dessen Profil anders als uneingeschränkt lobend zu äussern. Dabei ist in meinem Interview nachzulesen, dass ich mir sehr wohl die Frage gestellt habe, ob den deutschen Konsul diese unstreitig rumänische Institution „etwas angehe“ - das tut sie aber (jenseits auf der Hand liegender inhaltlicher Gründe) sehr wohl, so lange sie regelmässig finanzielle Förderung seitens deutscher Kulturmittler just für die vom DSTT wahrzunehmenden minderheits- und kulturaustauschbezogenen Aufgaben bezieht und sogar eine Ausweitung dieser Förderung wünscht. Die Beobachtung und Bewertung zumindest dieser Aspekte der Arbeit des DSTT liegen also, anders als es der Intendant suggeriert, durchaus im Aufgabenbereich des deutschen Konsuls in Temeswar.
Dass meine Formulierung von „des Widerspenstigen Zähmung“ dagegen mit Augenzwinkern gesagt wurde und in Anführungszeichen gelesen werden sollte ergibt sich aus dem Kontext, in dem ich über die Partner der Konsulatsarbeit sprach und damit solche, die von einem kunstsinnigen Konsul gerne profitierten von solchen, die Interesse und Engagement eher misstrauisch als unzulässige Einmischung zu verstehen schienen, unterscheiden wollte.
Vollends rätselhaft bleibt, wie aus der von mir unterstrichenen Notwendigkeit der Auseinandersetzung künstlerischer Arbeit mit unbestechlicher Kritik ein Pauschalvorwurf der „Bestechlichkeit rumänischer Theaterkritiker per se“ herausgelesen wird – und noch mehr, warum dies einer „Beleidigung der rumänischen Theaterschaffenden (sic!) insgesamt“ gleichkommen soll. Bildeten Theaterkritiker und Theaterschaffende eine identische Menge, dann gäbe es überhaupt keine unabhängige Kritik. Und natürlich maße ich mir, zumal nach 30 Berufsjahren, kein undifferenziertes Pauschalurteil an – es ist aber grundsätzlich und selbstverständlich überall auf der Welt problematisch, wenn Journalisten neben ihrer redaktionellen Arbeit im Auftrag und in finanzieller Abhängigkeit von Einzelpersonen oder Institutionen deren Pressearbeit erledigen, da es hier zu Interessenkonflikten und einem zwangsläufigen Verlust an Objektivität kommen muss. Insoweit führte der „Sprung ins kalte Wasser“ bei den von mir vermissten Gastspielen insbesondere in Deutschland und der damit verbundenen Konfrontation mit Fachkritik ausserhalb des heimatlich vertrauten und freundschaftlich verbundenen Biotops bestimmt zu einem Gewinn an neuen Einsichten durch Perspektivwechsel – alles Phänomene, die das DSTT überhaupt nicht zu scheuen braucht!
Schliesslich dreht mir der Intendant die Worte im Munde herum, wenn er meine nüchterne Feststellung, das DSTT produziere dank seines für ein Theater seines kleinen Zuschnitts äusserst üppigen Etats „sehr teuer“ auf die in der Tat beschämend niedrigen Gehälter der festangestellten Mitarbeiter bezieht – wie sollte ich denn die, deren viele ich aufrichtig verehre, als „Gutverdiener“ bezeichnen? Es ist nicht schwer zu errechnen, dass die Kosten für das festangestellte künstlerische wie technische Personal deutlich unter den in Deutschland üblichen 80 Prozent des Gesamtetats des Theaters liegen. Daher habe ich auch nur vom am DSTT sehr teuren Produzieren gesprochen – und unter Produktionskosten versteht man in Fachkreisen insbesondere auch die hierzulande enorm hohen Honorare für Gastkünstler im Regie- und vor allem Ausstattungsbereich. Hier muss die Frage erlaubt sein, warum deren Beitrag zum künstlerischen Gesamtergebnis so unendlich viel höher bewertet wird als der beispielsweise der Schauspieler – Stoff für eine spannende Diskussion allemal!
Traurig stimmt mich, dass ich in einem schon von der originären Bestimmung her international ausgerichteten Theater im Rumänien des Jahres 2013 und in einer Stadt, die derzeit alles darauf konzentrieren sollte, ihre Trümpfe als potentielle Europäische Kulturhauptstadt 2021 auszuspielen offenbar zur Kategorie „mancher ausländischer Gäste...ohne jegliche fachliche Kompetenz und moralische Befähigung...wenig ehrbar und aufrichtig“ gezählt werde – und dass mir sogar „vielleicht doch eher diskreter Einsatz“ zur Förderung des „rumäniendeutschen Theaters“ attestiert wird. Bei aller Bescheidenheit: dies überrascht mich sehr, da mir von Fachleuten auf dem Gebiet der darstellenden Künste immer wieder ein im Gegenteil kompetentes Urteil nachgesagt wird. Und ich trete gewiss niemandem zu nahe wenn ich noch anmerke, dass sich die Bilanz meiner vielgestaltigen Initiativen zur Förderung des deutschsprachigen Theaters und der deutschsprachigen Schauspielausbildung in Temeswar hinter der keines meiner Vorgänger im Amt des deutschen Konsuls in Temeswar zu verstecken braucht – es würde hier den Rahmen sprengen, wenn ich alles aufzählen wollte. Auf Anfrage liefere ich aber zur Auffrischung der Erinnerung gerne eine Aufstellung nach.