Allgemein Deutsche Zeitung für Rumänien

Ein Gespräch mit Thomas Sindilariu, Vorsitzender des Ortsverbands des Demokratischen Forums der Deutschen Kronstadt

Thomas ªindilariu, gebürtiger Kronstädter, studierte in München Geschichte und kehrte in die Heimatstadt zurück, wo er sich Forschungsarbeiten und dem Archiv der Schwarzen Kirche widmet. Er ist Autor und Mitherausgeber mehrere Arbeiten über die ältere und neuere Geschichte Siebenbürgens, mit einem neueren Schwerpunkt in der Erforschung der Jahrzehnte im Kommunismus. Er kandidierte bei den letzten Wahlen für das Amt des Vorsitzenden des Ortsforums Kronstadt und gewann diese. Über seine Vorstellung, wie er die Tätigkeit des Ortsforums in seinem Mandat zu gestalten beabsichtigt sowie die Richtungen, in welche er sich besonders einzusetzen beabsichtigt, führte er ein ausführliches Gespräch mit Hans Butmaloiu.



Thomas ªindilariu, gebürtiger Kronstädter, studierte in München Geschichte und kehrte in die Heimatstadt zurück, wo er sich Forschungsarbeiten und dem Archiv der Schwarzen Kirche widmet. Er ist Autor und Mitherausgeber mehrere Arbeiten über die ältere und neuere Geschichte Siebenbürgens, mit einem neueren Schwerpunkt in der Erforschung der Jahrzehnte im Kommunismus. Er kandidierte bei den letzten Wahlen für das Amt des Vorsitzenden des Ortsforums Kronstadt und gewann diese. Über seine Vorstellung, wie er die Tätigkeit des Ortsforums in seinem Mandat zu gestalten beabsichtigt sowie die Richtungen, in welche er sich besonders einzusetzen beabsichtigt, führte er ein ausführliches Gespräch mit Hans Butmaloiu.

Herr ªindilariu, Sie wurden am 19. Februar zum neuen Vorsitzenden des Ortsforums Kronstadt gewählt. Wie ist es dazu gekommen?

Na ja, es hatte sich im Kronstädter Ortsforum die Lage ergeben, dass Uwe Simon, der bisherige Vorsitzende, beruflich bedingt ausgefallen ist und nolens volens stellte sich die Frage: Was nun?  
Diese Frage wurde im Vorstand erörtert, es wurden Vorschläge gemacht, der Trend war für eine „Verjüngung“; im Gespräch waren Steffen Schlandt und meine Wenigkeit. (Fängt an zu lachen.) Mein Telefon klingelte und ich ging hinaus. Als ich wieder hereinkam, lachten mir alle entgegen: „Ja, wir würden Sie vorschlagen!“ Darauf habe ich geantwortet: „Ich denke darüber nach“, denn wenn man solche Fragen gestellt bekommt, sollte man erst mal gründlich darüber nachdenken, zumal wenn man beruflich und ehrenamtlich schon mehr als ausgelastet ist.

Ich bin dann aber doch zu der Schlussfolgerung gekommen, den Vorschlag anzunehmen, weil es bestimmt ein Schritt in die richtige Richtung ist zu versuchen, jüngere Semester in dieser Tätigkeit heranzuziehen. Es klingt vielleicht eitel, gespielt bescheiden, doch solche Schritte sind manchmal notwendig, man kommt nicht um sie herum. Es ist eine Tatsache, dass es nie genug Leute gibt, die bereit sind, Verantwortungen zu übernehmen, Verantwortungsträger zu werden. Das ist ein allgemeines Problem und ich habe mir gesagt: Man hat mich gefragt, aufgefordert, also mache ich es, ich stelle mich zur Wahl.

Und wie verlief diese?

(Verkneift sich das Lachen) Bei der Jahresversammlung des Forums habe ich mich, wie gesagt, gestellt und ein wunderschönes, fast nordkoreanisches Ergebnis erzielt, was sich eigentlich ganz einfach dadurch erklären lässt, dass ich ja der einzige Kandidat war. Nordkoreanisch hier im Sinne von: Alle Anwesenden waren dafür, freilich ohne Zwang.

Aber auf die erste Frage, das „Warum?“, muss ich hinzufügen, dass es vor allem um ein inhaltliches Anliegen geht, nämlich darum, zu gestalten, eine zukunftsfähige Grundlage zu finden, für das was eine Minderheit ist, sein und/oder werden kann. Da muss man sich erst einmal hineindenken: „Was ist überhaupt das Demokratische Forum der Deutschen?“ Es ist ein Minderheitenverband und dadurch etwas, was man gut im Rumänischen als „struþo-cãmilã“ bezeichnet, es ist eine, flapsig bayrisch gesagt, „eierlegende Wollmilchsau“. Das liegt aber in der Natur der Sache eines Minderheitenverbandes. Er kann weder ausschließlich Kulturverein, noch ausschließlich Geselligkeitsverein und auch nicht ausschließlich politische Partei sein. Er ist von allem etwas!

Zunächst einmal für die eigenen Mitglieder, aber auch für das viel zitierte „Umfeld“, und, im Sinne der politischen Bühne, natürlich auch für die Wähler. Eine Vielseitigkeit wie diese am Leben zu erhalten und mit Inhalten zu füllen und weiterhin attraktiv zu gestalten, kann man als Herausforderung bezeichnen, an der ich mich gerne versuchen will.
 
Mit welchen Vorstellungen kommen Sie nun für diese drei erwähnten Bereiche: Kultur, Geselligkeit und Politik? Hat einer dieser Bereiche Vorrang, gibt es eine Hierarchie der Wichtigkeit? Wie sollen sie angegangen werden?

Zur ersten Aufgabe eines Vorsitzenden rechne ich es, die Vielseitigkeit beisammen zu halten, damit sie die Gemeinschaft stärken kann. Mein Eindruck nach den ersten Vorstandssitzungen ist der, dass die Wähler bei der Jahresversammlung eine glückliche Hand hatten. Die Aufgabenbereiche sind gut verteilt, das Arbeitsklima ist offen und vertrauensvoll, sodass man optimistisch in die Zukunft blicken kann. Doch zurück zum Forum als Plattform der Begegnung. Geselligkeit als Selbstzweck funktioniert kaum. Es braucht Aufhänger, Gelegenheiten, damit Geselligkeit entstehen kann. Sie ist von zentraler Bedeutung, da nicht nur unser Zeitalter von Individualisierung und Globalisierung geprägt ist, sondern auch unsere Minderheit.

Die festen gesellschaftlichen Strukturen von einst, wo jeder jeden kannte oder man zumindest voneinander wusste, sind nicht mehr in dem Maße gegeben. Insofern gilt es, das Bewährte, also Handarbeitskreis, Blasmusik, Bunter Abend etc. fortzuführen, aber auch erfinderisch zu sein. Anlässe müssen erdacht werden, um jene zu erreichen, die sich zwar zugehörig fühlen, aber beiseite stehen.

Angebote müssen her, die Versuchungen zur Beteiligung auch für diese Kreise darstellen. Es gilt eine Lücke zu schließen zwischen dem Jugendforum, das beachtliche Erfolge zu verzeichnen hat, dennoch aber vor allem von Schülern geprägt ist und jenen, die Zeit haben, da sie zumeist Rentner sind. Ich wünsche mir, dass die Generationen, die dazwischen liegen, im Forum in verstärktem Maße auch eine Heimat sehen. Die Mär von wegen „wir haben ja niemanden!“ möchte ich nicht gelten lassen, die Leute gibt es schon, man muss sie nur finden und für sie Gemeinschaft zur Selbstverständlichkeit werden lassen. Über das Wie ist hierbei noch nachzudenken.

Hinzu kommt freilich auch, dass die Zugehörigkeit ein Parameter ist, der einem starken Wandel ausgesetzt ist, was nicht negativ zu verstehen ist. Deutschstämmig oder -sprachig, Heruntergekommene, Zurückgebliebene, Reichsdeutsche etc., alles nur teilweise salonfähige Begriffe, die letztlich doch nur widerspiegeln, dass Zugehörigkeit gerade bei diesen Altersgruppen sehr facettenreich ist. Wenn es jedoch konkret wird, ist das Verblüffende, dass alle, unabhängig von der Generationszugehörigkeit oder Herkunft, doch sehr ähnlich denken. Erfolg in diesem Punkt ist entscheidend für nummerisches Wachstum oder Rückgang der Minderheit.

Wohin würden denn solche Bemühungen gehen? Wäre es eine Ergänzung, ein Wechsel?

Also das Bewährte steht, wie gesagt, nicht zur Diskussion. Als erstes muss man Hausaufgaben machen, sprich, eine Vorstellung von den Zielgruppen muss entwickelt werden. Seien es jetzt Eltern von Honterusschülern, die selbst einmal diese Schule besucht haben – mehr als man glauben mag – und die für „Zugehörigkeit“ in Frage kommen, oder Deutschkursanten in der Stadt oder „Sommersachsen“ oder einfach nur „Zugehörigkeitstaugliche“, die mitten im Berufs- und Familienleben stehen. Die sympathisierenden Mitglieder darf man auch nicht vergessen! Mit passgenauen Angeboten und Initiativen  – es soll für jeden etwas dabei sein – kann man dann versuchen, Schritt für Schritt die Basis unseres Forums zu verbreitern.

Das wäre das Gesellschaftliche, welches sich ja sehr nahe am Kulturellen bewegt...

Ja, das kann und muss man jetzt nicht über Gebühr auseinander dividieren. Nehmen wir den „Bunten Abend“ – ein wichtiger Termin im Forumskalender, da er den Geschmack vieler trifft und sehr nahe bei der Geselligkeit anzusiedeln ist. Der „Bunte Abend“ war ein wichtiges Thema im Vorstand und in den Treffen zur Koordination der kulturellen Aktivitäten, um die sich Wolfgang Wittstock als Kreisvorsitzender dankenswerterweise mit großer Beharrlichkeit kümmert.

Jener Teil der Kulturarbeit, der nicht so nahe bei der Geselligkeit angesiedelt werden kann, wie der „Bunte Abend“, darf qualitativ nicht vernachlässigt werden. Literatur, Vorträge, Filme, Podiumsdiskussionen, alles was im Rahmen der „Deutschen Vortragsreihe“ im Forum stattfindet, wirkt in erster Linie nach innen, aber auch nach außen.

Ein gutes Kulturangebot ist ein letztlich entscheidender wirtschaftlicher Standortfaktor – das gilt sowohl für die Situation in der Stadt ganz allgemein, als auch für uns als Minderheit. Wenn beispielsweise ein Jungunternehmer, der im weitesten Sinne dem deutschsprachigen Raum zuzurechnen ist, beabsichtigt, einen Standort in Rumänien zu haben, so kann die Existenz eines guten, in unserem Falle eines guten deutschen Kulturangebots der Entscheidungsfaktor sein, der den Unterschied zu, sagen wir mal, Brãila macht.

An einem möglichst konstanten und gediegenen Kulturangebot mitzuwirken sehe ich auch als meine persönliche Pflicht an. Wissenschaftliches darf durchaus auch mit dabei sein, da es dafür in Kronstadt eine konstant gute Hörerschaft gibt. Ich möchte mir auch vornehmen, über das Forum Mittel für Buchpublikationen einzuwerben, was etwa in Hermannstadt schon Routine hat.

Damit kommen wir zu dem letzten angesprochenen Bereich...

Politik ist leider allzu oft das Allerletzte (lacht), für das Kronstädter Forum ist es aber mit Sicherheit nicht der unwichtigste Bereich. Eine Hierarchisierung wäre bei diesen drei Bereichen fehl am Platz.

Also dann: Der dritte Bereich, der politische. Wie sehen Sie diesen?

Definieren würde ich es so: Als Forum sind wir berufen, die Interessen unserer Mitglieder in der politischen Sphäre zu vertreten. Einerseits gibt es die Ausnahmeentwicklung in Hermannstadt. Andererseits haben wir 2012 gesehen, dass auch in Kronstadt einiges möglich ist, was es auszubauen gilt. Wir sind als Forum in allen Stadtbezirken, auch in den als „Neumoldau“ bezeichneten Plattenbauvierteln am Stadtrand, auf mindestens fünf Prozent gekommen, was bemerkenswert ist. Die Spitzenergebnisse waren natürlich in der Inneren Stadt, bei bis zu 18 Prozent pro Wahllokal. Aber die Tatsache, dass man selbst in den Randvierteln der Stadt so gute Ergebnisse erreichen konnte, ist äußerst ermutigend und daran muss gearbeitet werden. Es ist offenkundig, dass uns die Bürger etwas zutrauen...

Und auch erwarten...

… natürlich: auch erwarten, selbstverständlich! Erwartungen, die in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich nur bedingt eingelöst werden können, da wir ja prozentmäßig in Stadt- und Kreisrat viel zu schwach sind, um Berge zu versetzen, aber das wissen auch die Wähler. Es gilt im Moment, seriöse Alternativen aufzuzeigen, auf die künftig gebaut werden kann. Denn wenn es etwas gibt, worauf man sich in der rumänischen Politik verlassen kann, dann ist das ihre Unberechenbarkeit.

Es ist daher also gar nicht so abwegig, eine politische Konstellation im Entstehen zu verorten, in der unsere je zwei Vertreter in Stadt- und Kreisrat bereits in dieser Legislaturperiode zu begehrten Bündnispartnern werden könnten. Unsere Vertreter haben sich in unterschiedlichen Bereichen engagiert, Schulwesen und Wirtschaft sind – zur Stunde – im Blickfeld, aber nicht nur. In dieser Situation ist es wichtig, dass das Forum sich sichtbar beteiligt an Prozessen des gesellschaftlichen Umdenkens oder sie gar initiiert. Hilfreich sind dabei die zahlreichen Initiativen meines Stellvertreters, Lokalrat Christian Macedonschi, der die Beziehung zu den Meinungsmachern der Stadt pflegt und Öffentlichkeit für die unterschiedlichsten Dinge schafft, die die Amtsträger allzu gern unter den Tisch fallen lassen würden.

Von grundlegender Bedeutung ist die morgige Tagung – ebenfalls eine Initiative von Macedonschi –, die sich einem vernetzten Aufgreifen der Denkmal- und Restaurierungsproblematik verschrieben hat. Der Zustand der Bausubstanz in der Inneren Stadt ist nicht der beste. Es ist leider eine traurige und tragische Tatsache, aber in Rumänien ist es gefährlich bei starkem Wind auf der Straße zu gehen, Dachziegel lösen sich allzu leicht, Putz und mehr kann jederzeit herunterstürzen. Wir können als Deutsches Demokratische Forum bei so etwas nicht wegsehen, zumal es ja um ein Erbe geht, das einst ganz wesentlich von unserer Minderheit geschaffen wurde. Es ist beschämend, aber Fakt, dass die historische Bausubstanz zu einer Gefahr geworden ist. Für jeden Bürger, für die Einwohner, für unsere Gäste, für Touristen, für alle. Hier kann Öffentlichkeit und Kultivierung des Verantwortungsbewusstseins helfen. So wollte eine Bank in der Inneren Stadt erst nichts hören von denkmalgerechter Fassadenrestaurierung. Der Fall wurde auch durch unser Zutun Stadtgespräch und, siehe da, die Bank hat schleunigst eine sachkundige Architektin mit dem Problem betraut. Daran lässt sich ablesen, dass man gegen den allgemeinen Trend, historische Bausubstanz zu verschandeln, durchaus etwas machen kann, nämlich wenn es gelingt, korrekten Umgang mit dem baulichen Erbe zu einer Frage der Ehre in unserer Stadt zu machen.

Nun ist nicht jeder Hauseigentümer ein Bankier und hat das nötige Kleingeld, um sich diese Ehre leisten zu können. Aus diesem Grund ist die für den 6. Juni geplante Tagung auch so angelegt, dass es nicht nur um Restaurierungsfragen, sondern auch um Finanzierungsfragen geht. Ich hoffe, dass infolge der Tagung Finanzierungsinstrumente gefunden werden können, die denkmalgerechten Umgang für jeden Hauseigentümer erschwinglich macht.

Das wird sicher nicht einfach, aber von zentraler Wichtigkeit für die Zukunftsperspektiven Kronstadts ist dieser Themenkomplex allemal. Denn ein intakter Stadtkern ist ein Magnet, nicht nur für Touristen, sondern auch für Eliten aus dem sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich. Ihre Anwesenheit ist wiederum entscheidend für den Stellenwert Kronstadts unter den Städten des Landes und in Europa.

Link zum Zeitungsbeitrag online:
Interview mit Thomas Sindilariu

 Hans Butmaloiu, Kronstadt, 05.06.2013
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