Radio Temeswar

Warum Temeswar Musicals bitter nötig hat

Der rumäniendeutsche Dirigent Peter Oschanitzky stammt aus einer bedeutenden Musikerfamilie: Sein Bruder Richard zählt zu den bedeutendsten rumänischen Jazzmusikern. Anlässlich der jüngsten Auflage des Opern- und Operettenfestivals leitete Peter Oschanitzky als Gastdirigent das Orchester der Nationaloper. Robert Tari unterhielt sich mit dem Dirigenten über seine Pensionierung und die Rückkehr in seine Heimatstadt. 


Foto: Zoltan Pazmany

Sie arbeiteten 20 Jahre lang in Kroatien als Dirigent. Ende des Jahres treten Sie in den Ruhestand. Im Januar ziehen Sie wieder zurück nach Temeswar. Hatten Sie Heimweh?

Ehrlich gesagt ja. Obwohl die Verbindung mit Temeswar ständig da war, denn die Eltern meiner Frau sowie mein Sohn aus erster Ehe leben hier in Temeswar. 

Obwohl Sie in Ruhestand gehen, sprechen Sie noch immer von Arbeit, die Sie hier in Temeswar auf Sie wartet. Da scheint es sich nur um eine bedingte Pensionierung zu handeln. 

Zwar erfülle ich offiziell die Bedingungen für den Ruhestand, aber ich möchte weiterhin in meinem Beruf als Dirigent oder als Musiker den Temeswarer Kultureinrichtungen behilflich sein. So weit es natürlich möglich ist. 

Sie waren als Gastdirigent an dem diesjährigen Opern- und Operettenfestival mitbeteiligt...

Ich habe „Land des Lächelns“ dirigiert, dann das Konzert zusammen mit dem Meister Crescenzi und schließlich am Sonntag „Die Fledermaus“. 

Wie finden Sie die Initiative der Stadt und der Nationaloper, dieses Festival zu veranstalten?

Ich finde es eine ausgezeichnete Initiative der Stadt Temeswar und dass die Oper es mitunterstützt, ist sehr lobenswert. Bis jetzt waren es drei bis vier Vorstellungen. Jetzt haben sie es auf sieben Vorstellungen verlängert. Darin sehe ich eine Gefahr. Es soll nicht etwas zu Gewöhnliches für Temeswar werden und die Oper dadurch Zuschauer verlieren, weil das Interesse bei ihnen nachlässt. Ich würde die Anzahl der Vorstellungen wieder auf vier reduzieren. 

Sie sprechen von einer Gefahr. Was meinen Sie damit?

Diese Vorstellungen gelten dem Bürger der Stadt Temeswar. Das Publikum könnte nicht unterschiedlicher sein: Von echten Connaisseurs und Musikliebhabern bis hin zu Amateuren und Leuten die mit Musik nichts zu tun haben. Sie kommen weil sie neugierig sind und wegen der angenehmen Atmosphäre. Allerdings wiederholt sich das Repertoire ständig. Das Angebot ist beschränkt. Natürlich wurde das Programm so zusammengestellt, das sich ein breites Publikum angesprochen fühlt. Das Angebot reicht von ernsten Opern wie „Cavalleria rusticana“, „Pagliacci“ und „Carmen“ bis hin zu Operetten wie „Land des Lächelns“ und „Die Fledermaus“.  Doch gerade hier laufen wir Gefahr, die Leute abzuschrecken. Besonders die Menschen, die mit schweren Werken nicht viel anfangen können. Ich fürchte, dass die großen Opernkenner in der Minderheit sind. Ich würde eher Operetten und Musicals anbieten, also eher auf leichtere Kost umsteigen, weil man dadurch mehr Zuschauer gewinnen kann. Da muss man kein Spezialist sein. Das verstehen alle Leute. Opern wie „Carmen“ sind etwas für Spezialisten. Dafür muss man eine gewisse musikalische Kultur besitzen. 

Sie stammen aus einer Familien von Musikern. Ihr Vater war Komponist, ihre Mutter Sängerin, ihr Bruder Jazzmusiker.  Haben ihre Söhne die Familientradition fortgeführt?

Nein. Sie sind zwar sehr musikalisch, haben aber andere Beschäftigungen. Ich habe auch immer gesagt, dass in der Familie Oschanitzky genug Musiker waren. Es könnte auch was anderes da sein nicht nur Musiker. Die Familie ist mit genug Musikern besetzt. 

Ihre Familie war intensiv an das musikalische Geschehen der Stadt beteiligt. Sie hatten und haben dadurch implizit einen besonderen Zugang dazu.  Wie hat sich Temeswar musikalisch entwickelt? 

Die Oper hat immer sehr gut funktioniert. Sie war immer gut besetzt, auch mit Sängern, Orchesterleuten usw.. Es erreichte stets ein gewisses Niveau. Was neu ist und was ich persönlich für sehr gut erachte, ist die Einführung von Musicals in das Temeswarer Musikleben. Anfangs waren die Leute dem Musical gegenüber sehr reserviert. Die Oper hat gemeint, dass das nichts für sie ist. Akzeptiert wurde gerade noch „My Fair Lady“. Die ersten Musicals wurden im ungarischen Staatstheater produziert. Das waren eher ungarische Musicals, abgestimmt auf das ungarische Publikum. Inzwischen erlebt es einen Aufschwung: Das Deutsche Staatstheater befasst sich mit Musicals, das Nationaltheater auch und nun auch die Nationaloper. Dieses Genre hat in Temeswar ein richtiges Publikum. Die Leute wollen Musicals sehen und suchen nach dem Angebot. Die bisherigen Vorstellungen haben es bewiesen. Sie waren immer voll besetzt. Die Leute kommen mit großem Vergnügen zu diesen Vorstellungen. In dieser Hinsicht haben wir einen Fortschritt gemacht.

Es gibt für Musicals zwar ein Publikum, dafür aber fehlt es an Künstlern, die sich in dem Genre auskennen. 

Das ist wirklich ein großes Problem. Leider gibt es an der rumänischen Schule keine spezielle Ausrichtung für Musicals. Die Ungarn haben das. In Nachbarländern findet man spezielle Ausbildungen für dieses Genre. Sänger und Schauspieler werden in Tanz, Schauspiel und Bewegung vorbereitet. Nur mit Opernleuten oder reinen Schauspielern ist es schwierig ein Musical zu produzieren. Es gab ständig Besetzungsprobleme hier in Temeswar, aber man muss einen Anfang setzen. Ich habe gehört, dass die Musikhochschule eine Klasse für Musicals einführen möchte. Momentan ist es noch ein Gerücht. Ich finde es aber eine gute Idee. Temeswar hätte es bitter nötig. 

19.09. Peter Oschanitzky Interview LOW  


 Robert Tari, Temeswar, 19.09.2012
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