Die Realität wird von uns geschaffen und ist dementsprechend eine Täuschung. Diese Ansicht vertritt der Gegenwartskünstler Ioan Augustin Pop, der am vergangenen Samstag in der Jecza-Galerie seine erste Einzelausstellung eröffnete. Als Archäologe hat sich der Künstler versucht und ist in den alten postkommunistischen Fabrikruinen fündig geworden.
Wie utopisch es doch einmal klang und was daraus geworden ist, das drücken seine jüngsten Bilder aus. Der Künstler selbst hat beides erleben dürfen: die glorreichen Jahre im sozialistischen Rumänien, die auf leeren Versprechen aufgebaut wurden, und die unglücklichen Jahre danach, die zwar manche falsche Träume platzen ließen, doch auch die entstandene Leere mit neuen Lügen füllten. Was überdauert hat, sind Ruinen. Ruinen, die aus der gegenwärtigen rumänischen Landschaft nicht mehr wegzudenken sind. Man kann sie kaum verheimlichen und kaum verleugnen, aber das möchte man auch nicht.
Zwei Jahre musste der aus Großwardein/Oradea gebürtige Künstler auf seine erste Einzelausstellung warten. Bereits 2009 erhielt Pop von Andrei Jecza die Zusage für eine Ausstellung in der Galerie. Nur die Räumlichkeiten haben gefehlt. Jecza wurde auf den Künstler der 80er Generation während seines Studiums aufmerksam. Pop unterrichtet an der Kunsthochschule und war auch Andrei Jeczas Professor gewesen. Seine Karriere als Künstler fing der Großwardeiner in den 1980er Jahren an. Damals war er Mitglied der Künstlergruppe Atelierul 35 Oradea. Aus der Gruppe sind einige der wichtigsten Gegenwartskünstler aus dem Osteuropäischen Raum hervorgegangen. Oradea stellte im sozialistischen Rumänien eine Oase für Künstler dar. Hier wurden sie oft von der strengen Zensur verschont. Besonders aufgrund des wachsenden Interesses für osteuropäische Künstler im Ausland fand Andrei Jecza die Arbeiten Ioan Augustin Pops hochaktuell. Vor der industriellen Archäologie arbeitete Pop an „Stahlzeit“. Thematisch knüpft „Industrielle Archäologie“ direkt an das Vorgängerprojekt an, wo die rumänische Industrie ebenfalls im Mittelpunkt stand. Auch an Objektkunst hat sich der Gegenwartskünstler mit den Serien Medium I und Medium II herangewagt. Weniger Robert Rauschenberg und mehr eine Suche nach der persönlichen Bindung des Menschen mit dem Gegenstand.
Nach Dumitru Gorzos provokanter Ausstellung suchte Andrei Jecza, auch mit der industriellen Archäologie Besucher zu provozieren. Während bei Gorzo die Erotik im Mittelpunkt stand, steht bei Pop besonders die Ostalgie. Für Jecza sind provokante Künstler wichtig, weil er mit seiner Galerie nicht nur ein Geschäft betreiben, sondern auch das Publikum erziehen möchte. Deswegen Dumitru Gorzo und deswegen Ioan Augustin Pop. Deswegen auch Roman Tolici, der im September mit einer Einzelausstellung nach Temeswar kommt. Mit dem international erfolgreichen Hyperrealisten wird die Jecza-Galerie wiederum etwas anderes zeigen. Erneut wird die Wirklichkeit im Mittelpunkt stehen. Diesmal aber ohne Fragezeichen, sondern mit einem Ausrufezeichen hintendran.