Wenn von Ungarn als Urlaubsziel die Rede ist, denken die meisten an Budapest, an den Balaton, oder an die Pussta. Besonders im Herbst lohnt es sich aber auch einen Ausflug auf dem Lande zu machen, denn in vielen Ortschaften – klein oder groß – findet man Wein- oder Weinlesefeste. Gute Weine, leckeres Essen, Volkskultur und gute Gastfreundschaft sind garantiert. Christian Erdei hat ein Weinfest in Moor, einer 15 000 Seelen Kleinstadt, 100 Kilometer westlich von Budapest besucht.
Atmo1 Weinleseumzug, Pferdewagen, Blasmusik
darunter Sprecher:
Ein Weinleseumzug. Mit Traubenblättern und Blumen geschmückte Pferdewagen fahren auf der Straße, an einem weißgestrichenen Schloss vorbei. Auf den Wagen sitzen Leute, die aus Holzfässern den Menschen am Straßenrand Wein anbieten. Mehrere Tausend Interessenten bewundern an demwarmen, sonnigen Sonntagnachmittag die Kutschen sowie die in bunten Trachten gekleideten Tanzgruppen und Blaskapellen.
Die große Karavane zieht in Richtung Kapuziner- Platz.
Atmo2 Menschenkavalkade, Musik von der Freilichtbühne
Sprecher:
Es ist ein großer Platz. In der nord-östlichen Ecke ragt der Turm einer Barockkirche in die Höhe. Seitwärts sind kleine Holzhütten, wo Wein angeboten wird. Weiter unten steht die Freilichtbühne. Überall sind freundliche Menschen, die bei einem Gläschen Wein gerne über ihre Kleinstadt und über ihr Fest erzählen.
O-Ton Moorer (spricht Deutsch)
„In diesem drei oder vier Tagen ist hier sehr viel los. Es gibt viele Sehenswürdigkeiten in der kleinen Stadt, man kann sehr viele Menschen kennenlernen, auch aus sehr vielen Ländern. Es ist sehr toll hier!”
Sprecher:
Moor ist das Zentrum einer relativ kleinen Weingegend. Das Fest heißt: die Moorer Weintage. Die Veranstaltung hat in einem Erntedankfest ihre Wurzeln, seit 75 Jahren ist die Feierlichkeit die größte Veranstaltung der Kleinstadt. Der Wein und die Programme locken jedes Jahr am ersten Oktoberwochenende mehr als 10 000 Gäste nach Moor. Es gibt ein Volkstanzfestival, Konzerte, sowie Ausstellung von Kunst-Handwerkern
Eine gute Gelegenheit Werbung für den Wein und für die Stadt zu machen – meint Bürgermeister Péter Fenyves.
O-Ton Bürgermesiter (spricht Ungarisch)
„Die Zukunft und die Bekanntheit dieser kleinen aber historischen Weingegend hängt an dieser Veranstaltung. Durch die vielen ausländischen Gäste verbreiten wir den Ruf unserer Weine und unserer Weinkultur über unsere Grenzen hinaus. Neben Weinbau ist in Moor auch viel Industrie. Wir brauchen aber noch einen Pfeiler auf dem wir uns stützen können, und das ist der Tourismus.”
Sprecher:
Auf Tourismus setzten auch die Winzer in Moor. Sie verkosten ihre Produkte nicht nur auf dem Kapuziner Platz. Einige hundert Meter entfernt befinden sich die Kellerreihen der Stadt. Während des Festes sind die stolzen Holztüren der weißgestrichenen Keller und Presshäuser geöffnet. Die Winzer zeigen gerne ihre verborgenen Schätze .
Miklós Csabi ist erst 33 Jahre alt, aber schon ein anerkannter Winzer. Er holt eine Flasche Moorer Tausendgut aus seinem Keller und erzählt begeistert von der Weingegend und von den hier angebauten Weißweinen.
O-Ton Winzer (spricht Ungarisch)
„Diese Weingegend ist ein schlafender Löwe, wir haben eine große Zukunft vor uns. Wir haben einerseits eine wunderschöne Kleinstadt. Andererseits eine hervorragende Weinsorte, ein Hungaricum, den Moorer Tausendgut. Er ist so schön und vollmundig, er kann aber sehr aufregend, aber auch charmant sein. Diesen hier haben wir von sehr alten Reben gelesen, wir haben ihn in kleinen Eichenfässern reifen lassen und ein wenig auf feiner Weinhefe gelagert. So bekam das Tausendgut eine eigenartige Harmonie der Aromen und eine einzigartige goldene Farbe.”
Sprecher:
Und die Organisatoren, wie der Weinritterorden „Heiliger Lorenz von Brindisi“, setzten sich dafür ein, dass dieser Rebensaft bekannter wird. Katalin Tálos ist das einzige weibliche Mitglied des Vereins.
O-Ton Tálos (spricht Deutsch)
„Ich denke wenn wir das geschafft haben, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die Leute zu begeistern für den Moorer Wein, die Aufmerksamkeit auf den maßvollen Genuss des Weines zu richten und dann noch die Kultur dazu geben, die ungarische, die ungarndeutsche und die deutsche Kultur, dann haben wir das erreicht, was wir eigentlich wollten.”
Sprecher:
Bereits zufrieden sind die Gäste in Moor. Zsolt Gyarmati aus Budapest ist mit seiner Freundin schon das zweite Mal bei den Weintagen.
O-Ton Gast (spricht Ungarisch)
„Es gefällt uns sehr, wir haben viele gute Weine gekostet. Es ist aufregend Winzer persönlich kennen zu lernen, deren Namen wir sonst nur auf der Etikette der Weinflasche lesen können. Wir sind nächstes Jahr bestimmt wieder dabei.”
Atmo3 wieder Kapuziner platz, Gläser klingen beim anstoßen.
Christian Erdei, Moor, Oktober 2009 |