Radio Temeswar

Die politische Krise in Rumänien aus Sicht des deutschen Abgeordeten

Die politische Krise in Rumänien hält seit Monaten an. Angefangen hatte es bereits Ende vergangenen Jahres mit Straßenprotesten gegen Regierung und Staatspräsident. Diese führten schließlich in diesem Frühjahr zum Rücktritt des demokrat-liberalen Premierministers Emil Boc. Die Nachfolgeregierung unter Premier Mihai Razvan Ungureanu schaffte es nur paar Monate im Amt zu bleiben. Aufgrund politischer Migrationen änderten sich die Machtverhältnisse im Parlament. Die Opposition gewann die Mehrheit und stürzte das Ungureanu-Kabinett durch einen Misstrauensantrag. Staatspräsident Traian Basescu ernannte den sozial-demokraten Victor Ponta zum Premierminister. Die neue Parlamentsmehrheit ersetzte in diesem Sommer nach den Kommunalwahlen innerhalb einer Sondersitzung die beiden Kammervorsitzenden und suspendierte den Staatspräsidenten. Die Krise sollte schließlich durch eine Volksbefragung über die Amtsenthebung von Präsident Basescu beendet werden. Doch gleich nach dem Referendum spitzte sich der Kampf zwischen den beiden politischen Blöcken noch mehr zu. Angefochten wurden die Wählerlisten, nach denen man feststellen kann, ob die notwendige Wahlbeteiligung an der Volksbefragung zustande gekommen war. Das Verfassungsgericht soll die Ergebnisse des Referendums validieren. Ein Beschluss in dieser Hinsicht wird am morgigen Dienstag erwartet. Das sind die Fakten. Über die politische Lage im Land sprechen wir heute mit dem Abgeordneten des Deutschen Forums im Parlament Rumäniens, Ovidiu Gant. Das Gespräch führte vergangene Woche Adi Ardelean.


Aktualisierung (21.08.2012, 15 Uhr): Die Ergebnisse der Volksbefragung zur Amtsenthebung des suspendierten Staatspräsidenten Traian Basescu wurden am Dienstag  Mittag als ungültig erklärt. An das Referendum am 29. Juli beteiligten sich rund 8,5 Millionen Bürger, fast 7,5 Millionen davon stimmten für die Absetzung von Basescu. Das Verfassungsgericht kam am Dienstag Vormittag zusammen, um über die Volksbefragung zu entscheiden. Die Richter untersuchten, ob das Referendum gesetzesgemäß organisiert wurde bzw. abgelaufen ist und sie beschlossen, dass die Beteiligung an der Volksbefragung nicht ausreichend war. Um das Ergebnis als gültig zu erklären, wäre eine Beteiligungsquote von 50% plus eine Stimme der Wähler notwenig gewesen. Gemäß der permanenten Wählerlisten, nach denen man abgestimmt hatte, wurde das Quorum nicht erreicht, das Verfassungsgericht beauftragte jedoch die Regierung, eine aktualisierte Situation der Wähler vorzulegen. Die Daten wurden mittels des Innen- und des Außenministeriums aktualisiert und dem Verfassungsgericht am Montag eingereicht. Demnach waren in den Wählerlisten mehr als 510 Tausend Personen eingetragen, deren Ausweise abgelaufen waren, und dementsprechend aus den permanenten Listen hätten gestrichen werden sollen. Weitere 35 Tausend Bürger aus den Listen waren bis zum Aktualisierungstermin gestorben oder verloren ihr Stimmrecht durch Gerichtsverfahren. Desweiteren gibt es rund 3 Millionen Bürger, die in den Wählerlisten mit einem Wohnsitz in Rumänien erscheinen, die aber inzwischen mit ihrem Wohnsitz offiziell im Ausland angemeldet sind. Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts erklärte gestern, das Gremium werde die von der Regierung eingereichten Daten analysieren und danach die Entscheidung treffen. Für die Bestätigung des Referendumsergebnisses wäre gesetzesgemäß eine 2 Drittel Mehrheit des Gremiums notwendig gewesen, dementsprechend fiel die Entscheidung mit 6 zu 3 Stimmen. 5 der 9 Verfassungsrichter wurden von Traian Basescu (2), von der Demokrat-Liberalen Partei (2) sowie vom Ungarnverband (1) in diesem Gremium ernannt. Die Richter des Verfassungshofs kommen am Mittwoch Vormittag wieder zusammen, um die Begründung der Entscheidung zu redigieren. Danach soll das Parlament zusammen treffen, die Entscheidung zur Kenntnis nehmen und über die weitere Herangehensweise beschließen. Mit der Veröffentlichung der Entscheidung des Verfassungsgerichts im Amtsblatt endet das Interimat von Crin Antonescu als Staatspräsident sowie die Suspendierung von Traian Basescu, der ab dann sein Amt im Cotroceni-Palais wieder aufnimmt - so eine Presseerklärung des Verfassungshofs.

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 Adrian Ardelean, Temeswar, 20.08.2012
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